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Hartz IV – Bilanz fällt kritisch aus

Auch in Oberhavel feiern Betroffene das Jubiläum nicht


Die Kritik an der Hartz IV-Reform aus der Sicht von Betroffenen, Beratungseinrichtungen sowie der Landtagsabgeordneten Gerrit Große, standen im Mittelpunkt der gestrigen Zusammenkunft  zu der die LINKE  eingeladen hatte. Seit Beginn der Einführung der Arbeitsmarktreform hatte das Wahlkreisbüro der Abgeordneten ständig mit dringenden Anliegen in Not geratener, oft verzweifelter Bürgerinnen und Bürger zu tun. Die Kreistagsfraktion führte mehrere Anhörungen durch mit dem Ziel, die Lage der Betroffenen im Dialog mit dem Amt für Grundsicherung und dem Lenkungsbeirat  zu verbessern und bürokratische Hindernisse zu überwinden. Eine Ombudsstelle in der Kreisverwaltung zur Verringerung des Konfliktpotentials  wurde vorgeschlagen …
Abgesehen von den langen Bearbeitungszeiten im Amt für Grundsicherung wurden und werden vor allem  die Regelsätze für die Kosten der Unterkunft, die im Landkreis gelten,  kritisiert und als dringend bearbeitungsbedürftig angesehen. Hier sei der Kreistag als verantwortliches Gremium für den Lenkungsbeirat in der Pflicht gegenüber den sozial schwachen Bürgerinnen und Bürgern, da es im Gesetz keine Regelung der Kosten der Unterkunft gibt.  
Für diese im Landkreis Oberhavel geltenden Richtlinien gäbe es weit und breit keinen Wohnraum, so eine Teilnehmerin der Runde. Leider sei man gleichzeitig wenig bis gar nicht Kompromissbereit, wenn die Kosten geringfügig über dem vorgeschriebenem Satz lägen, obwohl sich z. B. wie allseits bekannt, die Heizkosten permanent erhöhten. Für Betroffene käme dann nur in Frage, dem zynischen Vorschlag von Thilo Sarrazin zu folgen, und eine kalte Wohnung durch das Tragen von Mantel und mehreren  Pullovern bewohnbar zu machen. Scharfe Kritik richtete sich an die WOBA, die sich permanent weigert, Wohnungen an Betroffene zu vergeben. Es sei von dieser städtischen Wohnungsbaugesellschaft überhaupt keine Anstrengung zu spüren, sich für die Bewältigung der sozialen  Probleme einzusetzen.
Nun verbindet sich bei den Betroffenen nach fünf Jahren  viel Hoffnung mit dem vom Bundesverfassungsgericht angekündigten Urteil, das nicht nur die Regelsätze für Kinder, sondern auch  die Regelsätze für Erwachsene betrifft.  Das BVerfG sieht durch Hartz-IV die Menschenwürde gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes verletzt. Ebenso würde der Artikel 20/2, der das Sozialstaatsgebot und die Existenzsicherung der Bürger festschreibt, missachtet.  
Ein von ALG II selbst betroffener Jurist wies darauf hin, dass es gut sei, die vorliegenden Bescheide ab 2006  angesichts der bevorstehenden Entscheidung mit dem Hinweis auf das zu erwartende Urteil anzufechten. Sollte das BVerfG Korrekturbedarf für die Vergangenheit geltend machen, so zitiert er Harald Thomé vom Erwerbslosen-Verein, könnten aus der dann zu erwartenden rückwirkenden Erhöhung der Regelleistungen Nachzahlungen in beträchtlicher Höhe resultieren. „Geld bekommen aber nur diejenigen nachgezahlt, die Widersprüche gegen Bewilligungsbescheide eingelegt haben oder einen sogenannten Überprüfungsantrag gestellt haben“. Wird ein Überprüfungsantrag für den entsprechenden Zeitraum gestellt, muss bei einer rückwirkenden Erhöhung der Regeleistungen für vier Jahre nachgezahlt werden. Das gilt auch für Bezieher von Sozialhilfe und
Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung. Diese Fürsorgeleistungen haben dieselbe Bemessungsgrundlage wie die Hartz IV-Leistung. Nach der Urteilsverkündung, die im Januar/Februar 2010 erwartet wird, können rückwirkende Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.
Die vertretenen Abgeordneten versicherten den von Hartz IV betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sich verstärkt um ihre Problemlage zu kümmern und entsprechende Anträge einzubringen. Von den Teilnehmern wurde wiederrum der Wunsch nach Vernetzung geäußert, um den Erfahrungsaustausch fortzusetzen.