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Heißer Herbst auch im Landkreis Oberhavel?


Am 20.09.2010 fand um 18.00 in der Geschäftsstelle der Linken ein Erfahrungsaustausch mit Politikern und Betroffenen von ALG II statt.

Das Treffen war von höchster Aktualität gekennzeichnet, da die Regierung am gleichen Tag einen Rahmen dafür  vorlegte, wie sie den Forderungen des Bundesverfassungsgericht hin-sichtlich der transparenten Berechnung der Regelsätze für die Grundsicherung gerecht wer-den möchte. Soviel war schon zur Zeit des Erfahrungsaustausches klar, die Regierung ist nicht willens den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, obgleich die Hartz-IV-Gesetze bereits zum zweiten Mal auf den Prüfstand des obersten Gerichts der BRD stand und zum zweiten vor dem obersten Gerichts scheiterten.
 

Eine Einführung in den Erfahrungsaustausch leistete RA Michael Elte, der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 zur Berechnung der ALG-II-Regelsätze kom-mentierte und auch vortrug, welche unterschiedlichen politischen Konzepte es gibt, den An-forderungen des Urteils gerecht zu werden So wurden die grundsätzlichen Positionen der Linken, der SPD und der Grünen vorgestellt. In der Opposition besteht Einigkeit darüber, dass eine verfassungsgemäße Umsetzung der Grundsicherung zu einer Erhöhung der Regelsätze führen muss, der mit einem flächendeckenden Mindestlohn verbunden sein muss. Die drei Oppositionsparteien legen sich bis auf die LINKE jedoch entweder bei der Höhe des Regelsatzes oder bei der Höhe des Mindestlohnes nicht endgültig fest. So schweigen sich die Grünen über die Höhe des Mindestlohnes aus, wollen aber den Regelsatz auf 420,00 € anheben, wie es auch der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert. Die SPD fordert zwar ei-nen Mindestlohn von 8,50 €, schweigt sich aber zur Höhe der Regelsätze aus. Nur die LINKE  fordert einen Regelsatz von 500,00 € sowie einen Mindestlohn von 10,00 €. Von schamloser Trickserei der Bundesregierung sprach die Vorsitzende des Ausschusse für Arbeit und Soziales im Bundestag Katja Kipping, (DIE LINKE), denn es werde versucht, den Regelsatz auf ein von vornherein festgesetztes Niveau herunter zu rechnen. So werde zum Beispiel bei der Neuberechnung der Regelleistungen nicht berücksichtigt, ob die gewählte Bezugsgruppe überhaupt in Frage kommt und nicht schon selbst bereits in Armut lebt. Das Bundesverfas-sungsgericht hatte das als Voraussetzung für die Präferierung eines Statistikmodells gefor-dert. Angelika Stobinski, Mitglied im Kreisvorstand und Wahlkreismitarbeiterin von MdL Gerrit Große wies darauf hin, dass die Manipulation von Zahlen mit einem Zeitplan bei der Gesetz-gebung kombiniert wird, der eine seriöse Behandlung durch den Bundestag aufgrund des enormen Zeitdrucks praktisch unmöglich macht.

In der anschließenden Diskussion wurden  Fragen zum noch bestehenden und vom Bun-desverfassungsgericht kritisierten Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft, zu Sanktionen und zur Grundeinkommensgarantie diskutiert. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Regelsätze erhöht werden müssten, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, das sowohl die physische als auch gesellschaftliche kulturelle und politische Teilhabe entsprechend des Urteils vom Februar  absichert. Scharfe Kritik übten Betroffene an der Streichung des Elterngeldes, der Rentenbeiträge, und die damit durch die Regierung bewusst vorangetrie-bene Altersarmut von Langzeitarbeitslosen sowie das Wegfallen des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger. Zur Frage, ob anstelle von Grundsicherung in der derzeitigen Form ein bedingungsloses Grundeinkommen besser sei oder nicht, gab es unterschiedliche Positi-onen. Ein Arbeitsplatz mit einer Bezahlung, von der man in Würde leben kann, wäre die bes-sere und zeitgemäße Alternative für die meisten Anwesenden. 

Erörtert wurden auch Probleme der Beschäftigungsförderung und ihrer konkreten Umsetzung im Landkreis Oberhavel. Am Beispiel einer  über 50-jährigen Frau, die in den Genuss einer solchen Maßnahme mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gelangen sollte, wurde deutlich, dass die individuelle Erwerbsbiografie, Bildung, erbrachte Lebens-leistung viel zu wenig Berücksichtigung finden und zu wenig über Sinn und Zweck der vorge-schriebenen und manchmal demütigend wirkenden Eignungsverfahren aufgeklärt wird.

An die Kreistagsfraktion der LINKEN erging die Bitte, der  Arbeit der nun verpflichtend in das SGB II aufgenommenen Beiräte der Jobcenter viel Aufmerksamkeit in den Gremien des Kreistages entgegenzubringen, denn ihnen steht ein Vorschlagsrecht zu und in ihnen können z.B. auch Vertreter der Erwerbsloseninitiativen mitwirken. Ausgeschlossen hingegen sind künftig Vertreter von Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes, die Eingliederungsmaßnahmen nach diesem Buch anbieten.

Zu Fragen des weiteren Widerstands gegen die aktuelle Grundsicherungspolitik wurde ebenfalls diskutiert. Noch immer liegt die Fehlerquote in den Bescheiden der Grundsicherungsämter bei 30 %. Widersprüche lohnen sich also hier. Aber es geht letztlich darum, dass die ak-tuelle Hartz-IV-Regelung überwunden wird. Hier ist unser Podium die Straße. Es wird also auch in Oberhavel einen heißen Herbst geben. Der Anfang wurde bereits durch den Kreis-verband der LINKEN mit der Aktion: „Sparpaket – Annahme verweigert“ gemacht.

Sorgen wir also dafür, dass der Herbst bis zur Adventszeit so heiß wird, dass wir im Winter nicht zu frieren brauchen.

RA Michael Elte
Angelika Stobinski