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Rede: AfD-Antrag zur Integrationswoche

Rede des Kreistagsabgeordneten Vadim Reimer zum Antrag der AfD-Fraktion:

"Interkulturelle Woche neu gestalten: Integration statt Leerfloskeln (0139/BF/2019)"

Kreistagssitzung am 18.12.2019:

Herr Vorsitzender, Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal muss ich dem Antrag eine sinnvolle Passage zugestehen. Nämlich die Aufforderung an die Kreisverwaltung, Daten zur Zusammensetzung und zur Lage der im Landkreis lebenden Migrantinnen und Migranten zusammenzutragen und aufzuarbeiten. So einen Bericht haben auch wir in unserem Änderungsantrag 165 zur Hauptsatzung gefordert, der ja leider vor zwei Wochen hier abgelehnt wurde. Schade, aber für die Lage der Migrantinnen und Migranten wird in diesem Hause scheinbar nur wenig Interesse entgegengebracht.

Trotzdem wird meine Fraktion diesem Antrag der AfD nicht zustimmen. Zum einen, weil es für uns keinerlei Zusammenarbeit mit einer rassistischen und faschistischen Partei geben wird - um das hier ganz klar vorneweg zu sagen. Zum anderen, weil der Antrag in sich bereits nicht schlüssig ist und genau dem Bild ihrer Partei entspricht – nämlich, dass er ausgrenzende Stereotype aufbaut und der gesellschaftlichen Spaltung Vorschub leisten soll.

Dieser Antrag ist schon deshalb nicht schlüssig, weil der Kreistag sich hier zum Begriff einer sogenannten Mehrheitsgesellschaft bekennen soll, ohne dass die Antragsstellerinnen und Antragssteller diesen Begriff selbst definieren. Was soll das überhaupt sein, eine Mehrheitsgesellschaft?

Die Mehrheit der Bevölkerung ist weiblich, heißt dass nun, das ich als Mann nicht dazu geeignet bin diese Gesellschaft zu repräsentieren? Bei den letzten Kommunalwahlen hat keine der Parteien eine absolute Mehrheit der Sitze im Kreistag errungen, heißt das nun, dass der Kreistag nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist?

Jede der Fraktionen in diesem Hause stellt eine Minderheit innerhalb der Gesellschaft dar. Ebenso gehört jede und jeder Kreistagsabgeordnete irgendeiner Minderheit an, sei es, dass er Vegetarier ist oder sie zur Miete wohnt, sei es, dass die einen gerne klassische Konzerte besuchen und die anderen Rockmusik hören. Manche werden kein Weihnachten feiern, andere sind nicht in Oberhavel aufgewachsen und erst im Laufe ihres Lebens hierhin gezogen. Ich bin mir sicher, dass jede und jeder von uns sich recht schnell zahlreichen Minderheiten zuordnen kann, in deren Schnittmenge ein einzigartiges Individuum steht, das Respekt verdient und dessen Würde unantastbar ist.

Der Begriff der Mehrheitsgesellschaft ist daher nicht praktikabel, weil er die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft ignoriert und ein einfaches Schwarz-Weiß-Denken zwischen einem „Wir“ und „den Anderen“ fördert. Dieser Begriff hat eine gewisse Nähe zum „Volksgemeinschaftsbegriff“ der 1930er Jahre. Aber wen wundert es, dass gerade Sie diesen Begriff hier hochhalten. Ihre politischen Ideen sind ja gerade solche aus den 1930er Jahren.

Ihr Antrag suggeriert, dass zugewanderte Menschen, sich nicht an die hier geltenden Gesetze halten würden. Er ist daher zutiefst rassistisch. Tatsache ist, dass die Kriminalität von Menschen ohne deutschen Pass nicht höher oder niedriger ist, als bei Menschen mit deutschem Pass. Zu dieser Erkenntnis kommt man, wenn man den Vergleich unter demografischen Gesichtspunkten, Geschlecht, Alter und Einkommen unternimmt.

Sie wollen, dass Zugewanderten die hier geltenden Regeln und Gesetze vermittelt werden. Ich selbst bin nicht in Deutschland geboren und fühle mich daher direkt angesprochen. Ich habe hier 6 Jahre Jura studiert und Sie kommen hier an und wollen mir die hier geltenden Gesetze nahebringen? Ich lasse mir bestimmt keinen Unterricht über Gesetzestreue von einer Partei erteilen, deren Fraktionsvorsitzende im Bundestag illegale Parteispenden annimmt und bei der gegen jede zehnte Mandatsträgerin und Mandatsträger strafrechtliche Ermittlungen laufen! Von Ihnen ganz bestimmt nicht.

Und schon gar nicht lasse ich mir von Ihnen etwas über die hier geltenden Werte und Gepflogenheiten erzählen. Es sei mal dahingestellt, was das denn überhaupt für Werte und Gepflogenheiten sein sollen, von denen Sie hier reden. Sie wissen es ja selbst scheinbar nicht, sonst hätten Sie es ja reingeschrieben.

Aber von einer Partei deren Bundesvorsitzender die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust als „Vogelschiss“ bezeichnet und deren Anhänger in der Gedenkstätte hier in Sachsenhausen öffentlich die Existenz der Gaskammern in Frage stellen, lasse ich mir keine Geschichtsstunde aufdrücken. Sie sind doch diejenigen, die die demokratischen Prinzipien in diesem Land in Frage stellen, indem sie ständig von Umvolkung, von Lügenpresse, von Meinungsdiktatur und vom Ausmisten in den Parlamenten und Verwaltungen schwadronieren. Ich denke, gerade Ihnen täte ein Integrationskurs mal ganz gut!

Indem Sie bemängeln, dass neu zugewanderten Menschen hier keine Werte, Geschichte und Kultur vermittelt wird, scheinen Sie ja auf einem anderen Stern zu leben. Natürlich gibt es Integrations- und Sprachkurse, die genau das zum Gegenstand haben. Für einen großen Teil der Migrantinnen und Migranten sind diese sogar verpflichtend. Leider stehen diese Kurse nicht sofort für alle neu angekommenen Menschen offen. Das kritisieren wir auch, allerdings ist das ein Thema für die Bundespolitik. Und die große Koalition setzt ja aktuell leider wieder mehr auf Ausgrenzung und Abschiebungen als auf mehr Inklusion und Teilhabe.

Und wenn wir schon bei der Bundesregierung sind. Ihre Bewunderung für den Bundesminister des Innern kommt im Antrag ja nicht gerade undeutlich zum Vorschein. Ein Politiker, der Zitat, sich gegen die Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren möchte - bis zur letzten Patrone. Oder der behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland oder die Migrationsfrage als die Mutter aller Probleme bezeichnet und die Regierung Merkel eine „Herrschaft des Unrechts“ nennt, sollte allerdings kein Vorbild für diesen Kreistag sein.

Die AfD-Fraktion versucht mit diesem Antrag Vorurteile zu schüren und die hier lebenden Migrantinnen und Migranten pauschal zu diskreditieren. Die Interkulturelle Woche soll zu einer Völkerschau umgewandelt werden, die streng quotiert und reglementiert ist und die zuallererst der Anpassung der daran beteiligten Menschen an eine irgendwie geartete Mehrheitsgesellschaft dienen soll.

Nein, wir sind der Meinung, dass die interkulturelle Woche als selbstorganisierte und bunte Veranstaltung bestehen bleiben muss. Daher hoffen wir auf breite Ablehnung dieses Antrages und sprechen uns dafür aus. Vielen Dank!