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Rede von Peter Ligner zur Begründung zum Antrag zur Direktwahl des Landrates

Peter Ligner
DIE LINKE Kreistag Oberhavel
Begründung zum Antrag zur Direktwahl des Landrates

Meine Damen und Herren,
Der neue § 126 KVerf bestimmt, dass der Landrat durch die Bürger in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl für die Dauer von acht Jahren gewählt wird. Diese Regelung zur Direktwahl der Landräte in der neuen Kommunalverfassung Brandenburgs ist nicht vom Himmel über die einzelnen Landkreise und Landräte gefallen, sondern war und ist begründet durch praktische Erfahrungen der kommunalen Praxis:
Zum Einen durch die langjährigen Erfahrungen mit den Kommunalverfassungen aller Flächenländer mit Ausnahme Baden-Württembergs, in denen die Wahl des Landrates vorgesehen ist. Zum Anderen war Ausgangspunkt der Novelle der Kommunalverfassung Brandenburgs die Erkenntnis, dass im Land Brandenburg die Beteiligung der Einwohner und Bürger bei kommunalen Fragestellungen verfahrensmäßig noch nicht hinreichend entwickelt sei, insbesondere u. a. dadurch, dass die Landräte nicht unmittelbar von den Bürgerinnen und Bürgern des jeweiligen Landkreises gewählt werden können.
So der O-Ton der an diesem Punkt durchaus selbstkritischen Einschätzung der Landesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfes zur Reform der Kommunalverfassung (vgl. Drucksache 4/5060 vom 31.08.2007, S. 2).
Mit der Einführung der Direktwahl der Landräte mit Wirkung ab dem 01.01.2010 verfolgte der Gesetzgeber damit die erklärte Absicht, für eine Stärkung des bürgerschaftlichen Elementes zu sorgen. Dazu wird in der Begründung ausgeführt:
„Die direkte Einflussnahme auf diese Personalentscheidung vermittelt dem Landrat eine starke Bindung an die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises. Die Bürgerinnen und Bürger wiederum bekommen ein wesentliches Mitgestaltungsrecht bei der zukünftigen Ausrichtung des Landkreises. Die Beziehung der Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Landkreis und die Identifikation wird über die unmittelbare Wahl des Landrates gestärkt.“ (Drucksache 4/5060, S. 113)
In der unmittelbaren Begründung zum neuen §126, der die Direktwahl regelt, werden die Intentionen des Gesetzgebers noch deutlicher:
„Mit der Direktwahl des Landrates wird ein weiteres Element der Bürgerbeteiligung eingeführt. Der Landrat hat in seiner Funktion als Hauptverwaltungsbeamter und oberster Repräsentant seines Landkreises wesentliche, die Bevölkerung in dem Landkreis unmittelbar betreffende Aufgaben wahrzunehmen. Die Wahl durch die Bürger trägt dazu bei, die Akzeptanz des Landrates und der Kreisverwaltung insgesamt zu erhöhen. Im Rahmen der Wahlbewerbung muss sich der Landrat im Wahlgebiet bekannt machen. Es entsteht so eine bessere Verbindung zwischen Verwaltung und Bürger, und es ist zu erwarten, dass ein unmittelbar gewählter Landrat ein besonderes Gewicht auf ein bürgernahes und bürgerfreundliches Verwaltungshandeln legen wird.
Der direkt gewählte Landrat wird auch gegenüber den Mehrheitsverhältnissen im Kreistag unabhängiger. Durch die Direktwahl und die unterschiedlichen Wahlperioden wird das Verhältnis der Kreisorgane untereinander besser ausbalanciert. Hinzu kommen weitere Gesichtspunkte der Systemgerechtigkeit: Die Direktwahl vermag die Mitgliedschaft des Landrates im Kreistag deutlicher zu legitimieren. Sie rechtfertigt zudem, dass an die Person des Landrates keine förmlichen Qualifikationsanforderungen gestellt werden.“ (Drucksache 4/5060, S. 300 - 301)
Soweit zur sachlichen Begründung der Direktwahl, der wir uns als Fraktion uneingeschränkt anschließen können. Damit wird deutlich, dass es sich bei der Direktwahl des Landrates und unserem darauf bezogenen Antrag nicht in erster Linie um eine personelle Auswahlentscheidung, sondern um eine Grundsatzfrage unserer kommunalen Verfasstheit geht, nämlich um einen Schritt zum Ausbau von Bürgerbeteiligung, um einen Schritt zu mehr Demokratie. Dies war auch der Grund dafür, dass wir für die Direktwahl des Landrates schon im Vorfeld der Novellierung gemeinsam im übrigen mit den Kollegen von der FDP per Volksbegehren geworben haben, dies ist auch der Grund dafür, dass wir diese Grundhaltung nicht in  Sondierungs- und Koalitionsgesprächen verkaufen. Das sind wir den BürgerInnen und unseren WählerInnen schuldig.
Leider sind die zitierten Grundsätze der Landesregierung nach mehr Bürgerbeteiligung in dieser Frage in Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU im Land durch einen faulen Kompromiss, wie wir finden, aufgeweicht worden. Denn unser Kreistag hat es nach der Übergangsregelung des § 127 KVerf in der Hand, noch bis zum 31.12.2009 den Landrat durch den Kreistag zu wählen und damit die Direktwahl durch den Bürger ab Anfang 2010 zu umgehen.
Sachliche und kommunalrechtliche Gründe für die Praktizierung dieser Übergangsregelung können wir nicht erkennen. Minister Schönbohm vermutete schon am 12.09.2007 im Landtag: „Offensichtlich bestehen bei dem einen oder anderen Ängste bzw. Befürchtungen, dass man bei einer Direktwahl durch das Volk geringere Chancen hätte, als wenn man sich dem Votum der Kreistagsabgeordneten stellte.“ (Plenarprotokoll 4/53, S. 3871) Sein CDU-Parteikollege Petke wurde im Dezember 2007 im Landtag noch deutlicher: „Es gibt keinen sachlichen Grund, die jetzige Regelung so einzuführen. Der Grund, weshalb die Kolleginnen und Kollegen der SPD auf dieser Regelung bestanden haben, ist Parteipolitik, Machtpolitik“ (Plenarprotokoll 4/59, S.4396).
Mit unserem Antrag zur Direktwahl des Landrates bieten wir die Möglichkeit hier im Kreistag ganz konkret dem Eindruck von kommunalpolitischer Parteitaktik, Koalitionsräson und Machtabsicherung offensiv entgegenzutreten. Denn wie anders kann man dem Wahlbürger erklären, dass man ihm das mögliche Recht zur Direktwahl abnimmt und durch Koalitionsabsprachen ersetzt.
Nun gibt es die Besorgnis über eine möglicherweise geringe Wahlbeteiligung bei einer Direktwahl des Landrates, die die aufgezeigten Vorteile von mehr Bürgerbeteiligung durch Direktwahl konterkarieren könnte.
Zum Einen werden diese Befürchtungen durch das Mindestquorum in § 72 Abs. 2 Satz 1 und 4 Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz ausgeräumt. Danach muss die Mehrheit, die den Landrat gewählt hat, mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten umfassen. Nehmen die Bürger des Landkreises die ihnen gewährten Rechte nicht in ausreichendem Umfang wahr, geht das Wahlrecht gem. § 72 Abs. 2 Satz 5 Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz auf den Kreistag über.
Zum Anderen stellt sich die Grundsatzfrage: Kann man geringe Wahlbeteiligung durch mehr oder weniger Bürgerbeteiligung „bekämpfen“. An dieser Stelle kann nicht auf die Gründe von Parteienverdrossenheit, Wahlmüdigkeit und Skepsis gegenüber Amtsträgern eingegangen werden. Aber eines scheint uns von Bedeutung: Die Motivation von BürgerInnen zur Beteiligung an Kommunalpolitik, kann man jedenfalls nicht durch Einschränkung von Beteiligungsrechten und durch eine Stellvertreterpolitik erhöhen unter dem Motto: „Wir können das besser entscheiden, wir trauen Euch solche Entscheidungen nicht zu“.
Wir meinen, wir sollten gemeinsam mehr Demokratie wagen, mehr Vertrauen in den Bürger setzen und damit das Vertrauen in Demokratie gerade auf der kommunalen Ebene stärken.
Mit der Direktwahl des Landrates werden die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die Legitimation des Landrates und damit auch dessen unmittelbare Verantwortung gegenüber der Bürgerschaft gestärkt. Mit diesem Beschluss sollte der Kreistag den Weg dafür freimachen, die erweiterten Möglichkeiten der neuen Brandenburgischen Kommunalverfassung zu nutzen und die Wahl des Landrates auch in Oberhavel in die Hände des Souveräns, der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises zu legen.